Sie sollten Goldwürmchen heißen

von Feb 6, 2021Blog0 Kommentare

Blutegel tragen ihren Namen zu Unrecht. Denn sie ernähren sich mit Vorliebe von dem, was uns Menschen krank macht. Und zudem versorgen sie uns dabei noch mit einer unglaublichen Anzahl von biologisch perfekt verwertbaren heilenden Stoffen. 

Ein paar Zahlen und Fakten über Egel:

  • Der Blutegel ist schon lange Zeit für seine heilende Wirkung bekannt. Die ersten Aufzeichnungen bezüglich des Einsatzes von Blutegeln in der Medizin stammen aus dem Zeitraum 1500 vor Christi. Die Babylonier erwähnen den medizinischen Einsatz von Blutegeln zur Behandlung von Menschen bereits in ihren Keilschriften, und Dhanvantari, der indische Gott des Ayurveda, trägt einen Blutegel in einer seiner vier Hände.
  • Im Englischen wurden die Heiler des Mittelalters als „leecher“ [leech (engl.) = Blutegel] bezeichnet und bei den Germanen wurde das Wort „Blutegel“ z.B. nahezu synonym mit dem Wort „Heiler“ verwendet. In Europa findet man die ersten Aufzeichnungen zum Thema Blutegeltherapie in den Aufzeichnungen eines griechischen Arztes von ca. 2.Jhr.v.Chr.
  • Die Verwendung von Blutegeln war im 18. und 19. Jahrhundert so in Mode gekommen, dass die Egel vom Aussterben bedroht waren. die Ausrottung der Egel drohte.
  • Nach einer fast 50 Jahre dauernden Pause, die u.a. durch die Folgen missbräuchlicher Anwendung der Blutegel im letzten Jahrhundert aufgrund von mangelndem Wissen und entsprechenden Vorurteilen begründet war – haben sie heute ihre Anerkennung als heilungsfördernde Arzneimittel und als lebende Apotheken zurück.
  • Seit 1949 wird der deutsche Blutegel wieder gezüchtet und in Teichen gehalten, die der Lebensweise der Tiere angepasst sind. Das Vorkommen von Blutegeln ist immer ein Zeichen von ausgesprochen guter Wasserqualität. Blutegel sind in vieler Hinsicht sehr sensibel und können nur in sehr reinen Gewässern (über-)leben. Nicht zuletzt deshalb sind sie wieder vom Aussterben bedroht; viele Gewässer sind nach wie vor nicht sichtbar mit Giftstoffen verunreinigt.
  • Die rekonstruktive Chirurgie hat die sensiblen Blutsauger in den 80er Jahren wiederentdeckt, als das abgerissene Ohr eines kleinen Jungen nur durch ihre Hilfe wieder anwachsen konnte. Seitdem erleben sie eine Renaissance in der Heilkunst.
  • Egel sind nicht gierig: eine Mahlzeit genügt für 1-2 Jahre (wer kann das schon von sich behaupten?).
  • Der elegante Schwimmstil eines Egels gleicht dem eines Delphins.
  • Ihr Biss ist wenig schmerzhaft.
  • Sie reinigen die von ihnen gesetzte, sternförmige Wunde und Ihre Speicheldrüsen sind frei von Krankheitskeimen

Die Blutegelbehandlung

Einmal auf der Haut des Wirtes angekommen, sucht der Blutegel eine geeignete Stelle zum Beißen. Im Kopfteil hat er dazu Thermorezeptoren; entzündete Hautareale sind in der Regel deutlich wärmer, als gesunde Hautoberflächen. Je entzündeter eine Stelle ist, desto wärmer und desto mehr „Leckerlies“ wie Eiter könnten vorhanden sein, was den Egel am meisten freut. Wenn er eine optimale Stelle gefunden hat, hält er sich mit dem hinteren Saugnapf in der Nähe der Bisstelle fest und beginnt mit seinem zahnlosen Kiefer die Haut anzuritzen. 

Sanft und Schmerzlos: Der Biss eines Blutegels

Der Biss eines Blutegels ist nicht schmerzhaft, denn der Egel hat in der freien Natur kein Interesse daran, überhaupt bemerkt zu werden. Ob zur Schmerzlinderung ein Anästhetikum im Speichel enthalten ist, ist umstritten.  Erleichtert wird das Saugen des Blutegels durch das Hirudin, welches er aus seinen Speicheldrüsen in die Wunde absondert und damit das Blut flüssig hält. Inzwischen sind über 60 bioverfügbare Heilstoffe im Blutegelsekret erforscht worden. Somit ist der Egel eine Apotheke Gottes, die uns im Austausch für die Abgabe von krankmachenden Stoffen gegeben wird. Wie genial ist das denn!

Blutegelsekret enthält über 60 bioverfügbare Heilstoffe

Behandlungsdauer: Nach 30 Minuten satt

Die Nahrungsaufnahme/der Saugvorgang dauert ca. 30 Minuten. Dabei saugt der Egel je nach Größe maximal ca. 10 ml. Sobald er satt ist lässt der Blutegel von selbst los. Die Wunde selbst blutet noch einige Stunden nach. Dadurch erhöht sich der Blutverlust auf ca. 50 – 100 ml pro Egel.
Der Egel ist nach dem Saugvorgang erst nach einer Woche wieder zu seinen typischen schlängelnden Schwimmbewegungen fähig. Er speichert das gesaugte Blut über Monate hinweg in seinem Magen und verdaut es innerhalb eines Zeitraumes von 1,5 Jahren. Allerdings ist der Blutegel bereits nach einigen Monaten wieder saugwillig.
Da die Egel hier zu medizinischen Zwecken eingesetzt werden, müssen sie nach der Behandlung als potentielle Überträger von Krankheiten getötet werden. 

Nachbehandlung

Das Nachbluten sollte nicht unterbunden werden, den es erhöht die Wirksamkeit der Blutegeltherapie und die entstauende Wirkung. Außerdem wird dabei die Wunde von den Keimen her gereinigt. Das Nachbluten selbst dauert in der Regel bis zu 12 Stunden. Am Tage der Blutegeltherapie sollte der Patient körperliche Anstrengung vermeiden. Die Wunden sollten in den nächsten Tagen bis zur Verheilung kontrolliert werden.

Mögliche Indikationsbeispiele von Blutegeln:

Angina pectoris, Analfisteln, Apoplexie, Brustdrüsenentzündung, Depressionen, Furunkeln, Gallenblasenentzündungen, Gürtelrose, Hodenentzündungen, Hypertonie, Krampfadern, Mandelabszess, chronische Migräne, Nebenhöhlenentzündungen, orthopädische Beschwerden, Ovarialzysten, Phlebitis, Rheuma, Thrombosen, Tinnitus, uvm.

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